"Wir sind abgesoffen, aber wir gehen nicht unter"


Bei Innstolz musste man die kaputte Ware mit dem Eispickel bergen − Besuch von Minister Zeil

Von Katrin Schreiber
Natternberg. Palettenweise Fleisch, Fisch, Eiscreme, Käse − alles kaputt. 700 Tonnen Lebensmittel hatte der Innstolz Frischdienst in seinem Lager − mit einem Wert von zwei Millionen Euro, wenn man das Entsorgen schon mitrechnet. Denn das meiste musste nach dem Hochwasser weggeworfen werden. Aber erst, nachdem man sich mit Eispickeln und Schutzhelmen in den Tiefkühl-Raum vorgearbeitet hatte. „Solche Lager stehen nie unter Wasser. Da gibt’s keine Handlungsanweisung.“ Geschäftsführer Florian Leebmann steht der Schock noch deutlich ins Gesicht geschrieben.

„Wir sind mit der Waldbahn gefahren, um einen Blick auf das Gebäude zu werfen“, erzählt er von den Tagen nach dem 4. Juni, als das Wasser übermannshoch in Fischerdorf und Natternberg stand − auch beim und im Hauptlager der Rotthalmünsterer Firma. „Vorher bin ich auf den Natternberg gekraxelt. Aber von dort aus konnte ich nichts sehen.“

Als gestern Wirtschaftsminister Martin Zeil nach Natternberg kam, um sich ein Bild von der Lage zu machen, hatte Florian Leebmann aber eine tapfere Botschaft für ihn: „Wir sind abgesoffen, aber wir gehen nicht unter.“ Für den Betrieb, für die Region, die Mitarbeiter und die Kunden will er so bald wie möglich die Arbeit in Natternberg wieder aufnehmen. Bis dahin ist allerdings noch einiges zu tun. Den Minister bat Leebmann um Hilfe: Vor allem müsse die betriebliche Liquidität sichergestellt werden. Dann müsse die Politik um die drohende Kündigung der Elementarversicherung verhandeln. Und um einen wirksamen Hochwasserschutz bat Leebmann ebenfalls: „Um derartige Katastrophen zukünftig zu vermeiden.“ Zeil versprach, da tätig zu werden: „Die Blockade beim Ausbau des Hochwasserschutzes muss ein Ende haben. Das ist für mich das Wichtigste.“

Der Innstolz Frischdienst ist ein 1898 als Molkerei gegründetes Familienunternehmen. Das zentrale Vertriebslager in Natternberg besteht seit 1980. Es macht einen Jahresumsatz von rund 45 Millionen Euro, indem es rund 4000 Kunden aus Niederbayern, der Oberpfalz, Oberbayern und Oberösterreich mit über 8000 Artikeln beliefert. Bis zu jenem Dienstag, als das Wasser kam und die 200 Mitarbeiter, für die seitdem Kurzarbeit angemeldet ist, den Betrieb einstellen mussten.

Die erste Woche wussten die Verantwortlichen um Florian Leebmann und Prokurist Isidor Neumaier gar nicht, was Sache ist. So wie alle durften sie nicht hin. NachTagen bekamen sie die Genehmigung, sich mit dem Boot zum Gebäude fahren zu lassen. Aus den völlig zerstörten Büroräumen, in denen auch sämtliche Unterlagen untergegangen sind, konnten sie zumindest die Computer retten und nach Rotthalmünster bringen. Von dort aus versucht man seitdem, einen Notbetrieb aufrecht zu erhalten. Die Kunden wurden gebeten, sich vorübergehend bei Großhändlern vor Ort einzudecken.

Derweil ging’s Anfang vergangener Woche mit dem Aufräumen los. Der Tiefkühlraum musste freigepickelt werden, alle Ware, die im Wasser stand und auch sonst alles, was nicht in Flaschen oder Dosen verpackt war, musste sofort zum Entsorger. Übrig geblieben sind 55 von 3200 Paletten − Weißwein, Dosentomaten oder Sprühsahne, die laut Leebmann als Havarieware ebenfalls nicht mehr regulär verkauft werden dürfen. Sie gehen voraussichtlich an einen dafür spezialisierten Zwischenhändler.

Samt Keller sind jetzt die sämtlichen 4000 Quadratmeter Lagerfläche so gut wie leer − und müssen nun nach Hygienestandards gereinigt werden, die denen eines Krankenhauses entsprechen. Darum müssen da Spezialfirmen ran. Gleichzeitig wird die Technik überprüft, die komplett kaputt ist. Was repariert werden kann und was ausgetauscht werden muss − das kann Florian Leebmann noch nicht abschätzen. Auch ob es Schäden am Gebäude gibt, muss sich erst herausstellen. Gutachter und Vertreter der Versicherungen sind bereits im Haus.

Die Folgeschäden der Flutkatastrophe könnten für Innstolz existenziell bedrohlich werden. Schon darum hofft Florian Leebmann, dass der Betrieb die Arbeit so bald wie möglich wieder aufnehmen kann. Eines will er aber dennoch loswerden: „Was wir hier an Hilfe bekommen − da kann ich nur von Herzen Danke sagen.“

Martin Zeil wurde begleitet von Landrat Christian Bernreiter, den Landtags-Abgeordneten Alexander Muthmann und Dietrich Freiherr von Gumppenberg, Bezirksrätin Margret Tuchen, den Bürgermeistern Christian Moser und Josef Thalhammer, Stadtrat Karl Hauser sowie Vertretern der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz um Hauptgeschäftsführer Toni Hinterdobler, Regionalmanager Herbert Altmann und Thomas Kindel vom Landratsamt. Neben Innstolz hat er auch Franz- Xaver Kremhöller in Niederalteich besucht. Der Metzgermeister und Kreishandwerksmeister hatte sein Geschäft gestern zum ersten Mal wieder geöffnet, die untergegangenen Maschinen im Keller konnten repariert werden. Auf 100 000 Euro schätzt er seinen Hochwasser-Schaden: „Da sind 5000 Euro Soforthilfe so, als ob man ein Wasserglas in die Donau schüttet“, erklärte er dem Minister und wollte wissen, mit welchen Hilfen er noch rechnen könne. Martin Zeil erläuterte es ihm:„Wenn Sie eine genaue Aufstellung der Schäden fertig haben, dann greifen die diversen Programme.“

Quelle: Deggendorfer Zeitung, 18. Juni 2013, Fotos: Binder

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